Nachruf auf Tina TurnerDie Königin unserer Seelen

Sie sang vom harten Leben, von dem sie sich nicht unterkriegen ließ, und von der Liebe, die mit Vorsicht zu genießen ist. In der Schweiz kam Tina Turner zur Ruhe.

Die Königin ist tot. Lasst uns trauern und eine Scheibe auflegen oder eine CD reinschieben, und dann tobt sie noch einmal über die Bühne, wie sie immer über die Bühne getobt ist, bis in ihr siebtes Lebensjahrzehnt hinein. Diese Explosion an Energie, diese kraftvolle Stimme, die wirbelnden Beine, die fliegenden Haare. Sie schrie sich die Seele aus dem Leib. Sie gab immer alles, und dafür liebte ihr Publikum sie bedingungslos.


Tina Turners Leben in Bildern

Eine Karriere und ein Leben voller Höhen und Tiefen – aber Tina Turner hat sich nie unterkriegen lassen.

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Die Texte ihrer Lieder waren reines Leben, hartes Leben. “Private Dancer” erzählt von einer Frau, die für Geld für geile Männer tanzt, die alle gleich aussehen und keinen Namen haben – “du denkst an das Geld und du schaust die Wand an”, singt sie um Lakonik bemüht, aber eigentlich ist sie todtraurig. Auch “Proud Mary” erzählt im Kern die Geschichte einer Frau, die miese Gelegenheitsjobs erledigt und erst die schönen Viertel der Stadt vom Fluss aus sieht, den sie im Dampfer herunterfährt.

Oder “Steamy Windows”: Angeschlagen sind die Fenster im Auto wegen der Körperhitze, die das Pärchen auf dem Rücksitz beim Sex erzeugt. Es ist, wie es ist, sie beschwert sich nicht. Der Mann, ihr Baby, hat kein Gesicht, keinen Namen. Nur seine Körperausdünstung ist erwähnenswert.

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Tina Turners Leben: “Nice and rough”

“Nice and easy” ist in diesem Leben gar nichts, allenfalls “nice and rough”. Tina Turners Texte sind einem harten Leben abgerungen, und natürlich sang sie Geschichten mit dem Erfahrungsschatz einer schwarzen Frau. 1939 wurde sie in der Kleinstadt Brownsville geboren, im tiefsten Tennessee. Der Süden der Vereinigten Staaten vor 83 Jahren: Rassismus pur. Segregation in Schwarz und Weiß.

Tina Turner war Mitte 20, als der Präsident, er hieß Lyndon B. Johnson, die Nationalgarde in den obstinaten Süden schickte, damit Frauen und Männer mit ihrer Hautfarbe in weiße Schulen gehen durften, im Bus nicht mehr hinten sitzen mussten und so weiter.

Tina Turner, 1970
Tina Turner, 1970 (Quelle: Courtesy Everett Collection via www.imago-images.de)

Aus dieser bipolaren Welt rettete sie die Musik. Ein Mann namens Ike Turner hatte seit Jahren eine populäre Band, und Anna Mae Bullock, das war Tinas Taufname, durfte zuerst Background singen und dann vorne am Mikrophon Leadsängerin sein. Aus zwei Autobiographien, die unter dem Namen Tina Turner erschienen, wissen wir zur Genüge über Ike Bescheid. Ein Schläger war er. Ein Tyrann.

Mit Ike & Tina Turner ist ein herrliches, bewegendes, aufwühlendes Lied untrennbar verbunden: “River deep, mountain high”. Die witzige Entstehungsgeschichte ist erzählenswert. Der Produzent Phil Specter, damals eine Größe in Los Angeles (und viele Jahre später als Mörder verurteilt) gab Ike 20.000 Dollar, damit er dem Studio fern blieb. Fünf Sitzungen brauchte es, 21 profilierte Studiomusiker machten mit, 21 Background-Sängerinnen halfen. Außerdem sprangen im Studio Dennis Hopper und Mick Jagger herum. Es wurde gemischt und gesampelt, bis einer der größten Songs der jüngeren Musikgeschichte auf Platte gepresst war.

Tina Turner und Mick Jagger rocken gemeinsam die Bühne: 1991.
Tina Turner und Mick Jagger rocken gemeinsam die Bühne: 1991. (Quelle: IMAGO/Globe Photos)

Von da an ging es musikalisch bergauf mit Ike & Tina Turner. Sie wurden als Vorgruppe der Rolling Stones gebucht. Sie kamen in die Charts. Sie hatten Erfolg. Aber Tina war zu unglücklich, um den Triumph zu genießen. So unglücklich, dass sie 1976 die Steuerschulden des Gatten übernahm und sich scheiden ließ.